EnergieSchweiz

Energiewende an der Hauswand

Photovoltaik-Fassaden eignen sich auch für Privathäuser. Noch aber gibt es in der Schweiz nur wenige Besitzerinnen und Besitzer, die darauf setzen. Ein paar Beispiele zeigen, wie überzeugend solche Lösungen sein können – energetisch und architektonisch.

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Sehen Sie, welche Lösungen es für PV-Fassaden gibt und welche Vorzüge diese haben.

Mit seinem geplanten Haus verfolgte Felix Vontobel mehrere Ziele. «Wir wollten zeigen, dass ein Winter-Plusenergiehaus technisch möglich ist, und man das architektonisch überzeugend lösen kann. Zudem wollten wir die gesamte Gebäudehülle zur Energieproduktion nutzen und die Winterproduktion maximieren.» Seine Frau Ursula Vontobel ergänzt: «Wir wollten nachhaltig und schön bauen.» Daraus entstanden ist das «Sol’CH» in Poschiavo GR.

Die Ziele, die sich die Vontobels gesetzt hatten, wurden vollumfänglich erreicht. Die PV-Module auf dem Dach und an den Fassaden ihres 2021 fertiggestellten Hauses liefern übers Jahr sechsmal und im Winterhalbjahr dreimal so viel Energie, wie benötigt wird. Und das wohlproportionierte Gebäude mit Blick auf die Bergamasker Alpen hat namhafte europäische Preise gewonnen, darunter den Norman Foster Solar Award der Solaragentur Schweiz.

 So viel also ist klar: Hausfassaden lassen sich gut zur Stromproduktion nutzen. Etwa dann, wenn sich Dächer nicht für Photovoltaikanlagen eignen, weil die Ausrichtung nicht stimmt oder die Konstruktion zu schwach ist, um eine Anlage zu tragen. Bloss werden die Vorzüge von Solarfassaden in der Schweiz noch wenig genutzt – zumindest im privaten Bereich. Zwar ist die Tendenz steigend, doch nach Angaben des Schweizerischen Fachverbands für Sonnenenergie, Swissolar, lag der Fassadenanteil von PV-Anlagen 2023 nur bei 1,3 Prozent.

 Das ist erstaunlich. Denn die Reaktionen auf das auffällige, anthrazitfarbene Haus in Poschiavo sind alles andere als negativ, obschon viele Leute nach Angaben des Besitzers glauben, ein solches Haus sei für sie unbezahlbar. Tatsächlich war es teurer als ein herkömmliches Gebäude. Doch durch den selbst konsumierten und weiterverkauften Strom kann das Ehepaar Kosten sparen und Einnahmen generieren. Die Hülle (Dach und Fassaden) aus PV-Modulen kostete rund 100 000 Franken mehr als eine Lösung mit konventioneller, hinterlüfteter Fassade und einem Ziegeldach. Dazu kommen die Kosten für Verkabelung und Wechselrichter. «Insgesamt lassen sich die Mehrkosten in 15 bis 20 Jahren amortisieren», sagt Felix Vontobel.

 Gut geplante Massarbeit

Das mag lange scheinen, doch Pierre-Olivier Cuche stellt klar: «Man entscheidet sich nicht aus finanziellen Überlegungen für PV-Fassaden, sondern weil sie qualitativ hochstehende und nachhaltige Lösungen sind.» Cuche ist Gründer von Solarwall, einem Schweizer Unternehmen, das auf die Integration von massgeschneiderten, architektonischen Photovoltaik-Lösungen spezialisiert ist. Solarwall realisierte viel beachtete Grossprojekte wie das Data Center der EPFL in Ecublens VD, das mit seiner rot-schwarzen PV-Fassade die Blicke auf sich zieht. Solarwall verwendet keine chinesischen Billigmodule – man lässt bei europäischen Herstellern produzieren.

 Private Bauherren waren nach Cuches Angaben bislang kaum dazu bereit, die damit verbundenen Mehrkosten zu akzeptieren. Diese entstehen, weil PV-Fassaden massgeschneidert sind und sich nicht mit standardisierten Modulen realisieren lassen. Doch seit der Abstimmung über das Stromgesetz im Juni stellt man bei Solarwall ein steigendes Interesse fest. Cuche betont, dass PV-Fassaden mit derselben Qualitätsklasse verglichen werden müssen, etwa mit hinterlüfteten Fassaden, die besonders langlebig und energiesparend sind. Zudem: «Solarfassaden brauchen genaueste Planungsarbeit, nur so lassen sie sich effizient realisieren.»

Die Module für die PV-Hülle von «Sol’CH» in Poschiavo stammen vom Tessiner Hersteller Sunage SA, einer weiteren Schweizer Firma und Spezialistin für gebäudeintegrierte Photovoltaik. Entworfen hat das Haus die Zürcher Architektin Nadia Vontobel, die Tochter der Bauherren. Auch aus ihrer Sicht ist es wichtig, das Thema Energie frühzeitig in die Planung eines Bauwerkes zu integrieren: «Denkt man Photovoltaik von Anfang an mit, kann man Architektur, Technik und andere Faktoren besser miteinander vereinen, ohne dabei Abstriche machen zu müssen.»

Das Argument, man könne aus Kostengründen nicht nachhaltig bauen, zieht nicht.
Hanspeter, Bürgi

Ein Architekt, der sich ebenfalls für neue technologische Möglichkeiten stark macht, ist Hanspeter Bürgi. Er ist Partner eines Büros in Bern und war bis vor Kurzem Professor an der Berner Fachhochschule BFH. Bürgi Schärer Architekten bauten ebenfalls eine Solarfassade – am «Maison Climat» in Biel. Das Mehrfamilienhaus hat 20 Wohnungen und wurde 2022 fertiggestellt. Obwohl das Plusenergiegebäude als ökologisches Vorzeigebeispiel gilt, seien die Mieten moderat, betont der Architekt. «Das Argument, man könne aus Kostengründen nicht nachhaltig bauen, zieht nicht.» Man müsse bei Vergleichsrechnungen das Haus als Ganzes betrachten und auch die Fördermöglichkeiten einbeziehen.

Die Solarfassade des Bieler Klimahauses wurde mit Standardmodulen realisiert – sie bedeckt aber nicht die ganze mögliche Fläche. Man habe stattdessen Kosten und Leistung optimiert. Die Zukunft der in die Gebäudehülle integrierten Photovoltaik schätzt der ehemalige Architekturprofessor optimistisch ein: «Jüngere Architektinnen und Architekten sehen diese Technologie zunehmend als Chance und nicht als Einschränkung.»

Nachhaltige Schuhschachtel

Dass sich auch bestehende Fassaden von Einfamilienhäusern mit Photovoltaik-Modulen belegen lassen, zeigt ein kühner Bau in Lostorf SO. Gaby und Jürg Beriger nennen ihr 2003 gebautes Zuhause mit den grossen Fenstern liebevoll «Schuhschachtel». Sie liessen dieses mit einer Wärmepumpe und Solarwärmeanlage bestücken.

2019 kamen eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, ein Wärmepumpenboiler und ein Stromspeicher dazu. Rund 70 Prozent des Energiebedarfs konnten fortan vor Ort produziert werden, selbst die beiden Elektroautos werden damit gespiesen. «Die Unabhängigkeit von Energieversorgern und ein ökologischer Mehrwert sind meiner Frau und mir wichtig», sagt Jürg Beriger. Deshalb entschied sich das Paar vor zwei Jahren, die Anlage auf dem Dach zu erweitern und die Fassade des fensterlosen Gebäudeteils mit Paneelen zu ummanteln. 23 Module des Herstellers Megasol bedecken neu die 42,8 Quadratmeter grosse Fläche. Jene, die Richtung Südosten liegen, erbringen eine Leistung von 5,1 Kilowatt-Peak (kWp) und jene nach Südwesten 2,7 kWp. «Durch die Fassadenmodule lässt sich vor allem die Winterproduktion des Solarstroms merklich steigern», sagt Jürg Beriger. Seit April ist die Anlage in Betrieb, die Autarkie wird schätzungsweise über 85 Prozent betragen.

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