In Basel-Stadt wird das Gasnetz in weiten Teilen bis 2037 stillgelegt, andere Kantone ziehen nach. Doch nicht überall ist der Schnitt so radikal. Das Gas als Energieträger verflüchtigt sich nicht so schnell.
Ein gelber Stummel. Ein Regal im Raum, wo zuvor der Gasbrenner stand. Mehr ist im Haus von Stefan Lohberger in Biberist (SO) nicht vom Gasanschluss geblieben. Er hat ihn vor einigen Monaten kappen lassen und das Loch zur Freilegung des Gasanschlusses vor der Haustüre selbst ausgehoben. Nach dem Aushub entfernten zwei Mitarbeiter seiner Gasversorgerin den Gaszähler und trennten Lohbergers Reiheneinfamilienhaus vom Gasnetz ab.
«Es ist eine Erleichterung», sagt der selbstständige Schmuckdesigner. Den Entschluss hatte er noch vor dem Ukrainekrieg gefasst, dieser beschleunigte das Projekt dann. Gemeinsam mit der Selbstbaugenossenschaft SolAar entstand ein Gemeinschaftswerk mit Freunden und Familie, unter kundiger Leitung von Baufachleuten: eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und eine Erdsonden-Wärmepumpe im Keller. «Das Projekt lag mir am Herzen», sagt Stefan Lohberger. Das Verbrennen von fossilen Energieträgern sei eine überholte Technologie. «Davon müssen wir uns verabschieden», meint er.
Das Gasnetz der Industriellen Werke Basel (IWB) deckt rund 15 % des Energiebedarfs ab – zu zwei Dritteln für Wärme in Häusern und Wohnungen. Nun soll das Gasnetz bis 2037 in Teilen stillgelegt werden. Die Stimmbevölkerung des Kantons Basel-Stadt hat sich am 27. November 2022 für ein Netto-Null-Ziel bis 2037 ausgesprochen. Der Grosse Rat des Kantons beschloss zum Jahresbeginn die Stilllegung des gesamten Verteilnetzes für das Komfortgas. Damit sind Gasanwendungen für Raumwärme und Warmwasser sowie zum Kochen gemeint.
Mit der Umsetzung ist die IWB beauftragt, die nebst den Gemeinden des Kantons Basel-Stadt weitere 29 Gemeinden aus den Kantonen Basel-Land, Solothurn und Aargau mit Gas versorgt und damit zu den drei grössten Gasversorgerinnen der Schweiz gehört. Die IWB hat einen Plan entwickelt, wann welche Gebiete vom Gasnetz getrennt werden und welche Lösungen dann zur Verfügung stehen. Dort, wo der Anschluss an ein Fernwärmenetz möglich ist, wird dieser empfohlen.
Während der Kanton Basel-Stadt konsequent vom Komfortgas geht, verflüchtigt sich der fossile Energieträger andernorts noch nicht. Das zeigt eine Umfrage bei Kantonen und einzelnen Energieversorgern. Thurgau und Zürich verfolgen die offensivste Strategie. Im Kanton Zürich will man 2040, spätestens 2050 Netto-Null erreichen. «Dazu muss der Absatz von Erdgas stark zurückgehen» , sagt Katharina Weber, Sprecherin der Baudirektion. Der Wärmebedarf könne künftig vollumfänglich aus lokalen Quellen gedeckt werden.
Erneuerbares Gas ist im Kanton Zürich für spezifische Anwendungen wie Hochtemperaturprozesse in der Industrie vorgesehen. Die Verantwortung für eine vorausschauende Planung des Gasnetzes tragen die lokalen Gasnetzbetreiber und die Gemeinden. Eine kantonale Vorschrift dafür gibt es nicht. Bereits haben sich die Städte Zürich und Winterthur dazu bekannt, bis 2040 vom Gas als Energieträger in Gebäuden abzusehen. In Winterthur werden Betroffene, die ihre Haustechnik deshalb vorzeitig ersetzen müssen, im Umfang des Restwerts entschädigt.
Die Gasstrategie der Stadt Zürich sieht vor, dass über das Gasverteilnetz der Stadt nur noch Gas aus erneuerbaren Quellen geliefert werden soll. Neue Gebiete werden nicht mehr erschlossen, unrentable Bereiche des Netzes stillgelegt. Dort, wo ein Anschluss an Fernwärme oder überhaupt an ein thermisches Netz möglich ist, soll die Versorgung mit Gas weitgehend stillgelegt werden. Das soll schrittweise geschehen. Auch hier werden Eigentümerinnen und Eigentümer entschädigt.
Ab 2040 soll in der Thurgauer Hauptstadt Frauenfeld die Versorgung mit Gas für Heizenergie «nicht mehr gewährleistet werden», was aus volkswirtschaftlicher Sicht «sinnvoller ist als ein erzwungener Umstieg auf Fernwärme», sagt Peter Wieland, Geschäftsleiter des städtischen Energieversorgers Thurplus. Schon heute können Hauseigentümerinnen und -eigentümer ihre Liegenschaften für rund 300 Franken vom Gasnetz abtrennen lassen und auf eines der anderen Angebote des Energieversorgers umsteigen. Der Mindestanteil von Biogas bei Wärmeanwendungen aus Gas soll in naher Zukunft nach den Plänen von Thurplus von 10 auf 20 % angehoben werden.
Im Kanton Bern sieht man es anders. Ein Rückbau der Gasnetze wird hier nicht angestrebt, «aber ein Umbau auf erneuerbare Gase, damit die fossilen Energien möglichst schnell ersetzt werden können», heisst es beim Amt für Umwelt und Energie. Beim Heizungsersatz gebe es gesetzliche Anforderungen, die den Ausstieg aus fossilen Energieträgern bei der Gebäudewärme beschleunigen sollen. An diesen orientieren sich letztlich auch die Gasnetzbetreiber und ihre Abnehmerinnen und Abnehmer. Beispielsweise in Biel. Mehr als 40 % der Gebäudewärme wird in Biel aktuell mit Gas erzeugt. Tendenz sinkend. Neue Gebäude werden nicht mehr ans Gasnetz angeschlossen. Martin Kamber, Mitglied der Geschäftsleitung von Energie Service Biel (esb), sagt: «In Gebieten mit Fernwärme empfehlen wir den Umstieg.» Ansonsten werde das Gasangebot mit einem Anteil Biogas ökologisiert. Ausserdem werden Eigentümerinnen und Eigentümer für den Restwert ihrer Haustechnik entschädigt, wenn sie sich der Fernwärme anschliessen. Das Gasnetz will esb nicht stilllegen, sondern für Industriekunden optimieren.
Der Heimatkanton des dritten grossen Gasplayers im Markt ist noch nicht bereit, seine Gasstrategie zu verraten. Services Industriels de Genève (SIG) hat sich jedoch bereits entsprechend aufgestellt. Der Energieversorger vertrieb gemäss Geschäftsbericht 2022 rund 2.5 Terawattstunden Gas und produzierte 17 Gigawattstunden Biogas selbst – dieses soll in einem breit diversifizierten Mix erneuerbarer Energien auch in Zukunft eine Rolle spielen.
Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern bleibt also genug Zeit, sich auf den Gasausstieg vorzubereiten. Energieberater Claudio Fuchs aus Andelfingen (ZH) empfiehlt ihnen trotzdem, schon bald eine Sanierungsstrategie zu entwerfen. «Es müssen die Nutzerbedürfnisse definiert, entsprechende Fördergelder beantragt, die technischen Parameter des Heizungsersatzes evaluiert und die Anlagen eingebaut werden.»
Den Umstieg bereut Stefan Lohberger nicht. Seine PV-Anlage produzierte in den letzten vier Quartalen rund 20'000 Kilowattstunden (kWh) Strom, von dem er nur 5'000 kWh selbst verbrauchte. «Meine Stromrechnung ist extrem gesunken», sagt er. Zudem habe die Arbeit unter fachkundiger Leitung die Kosten reduziert. Neben den Förderungen seien durch den Selbstbau Kostenersparnisse von rund 15’000 Franken möglich gewesen.