«Ich tanke meist mit Solarstrom»

Jean-Marc Geiser ist Mobilitätsspezialist beim Bundesamt für Energie (BFE). In der Sektion Mobilität trägt er zur Förderung nachhaltiger Mobilität bei. Im Interview erzählt er, was er im Alltag für die Energiewende tut und warum sparsames Fahren für die Familie zum Wettbewerb geworden ist. Fotos: Remediaprod

Warum haben Sie sich für ein Elektroauto entschieden?

Weil ich auch persönlich etwas für die Energiewende tun wollte: Der Verkehrssektor ist für ca. 30% der CO2-Emissionen verantwortlich (Verkehr und Umwelt) und belastet die Umwelt stark.

«Mein Vorsatz, das energieeffizienteste Auto mit der besten Ökobilanz zu wählen, hat mich dazu gebracht, auf ein Elektroauto mit Batterie umzusteigen.»

Da ich beim BFE arbeite, wollte ich nicht nur ein Theoretiker sein, sondern diesen Paradigmenwechsel auch in meinem Alltag erleben, indem ich mich den praktischen Herausforderungen stelle. Und nach der Installation einer privaten Photovoltaikanlage (PV-Anlage) lag es auf der Hand, dass wir diesen Strom auch für das Auto brauchen wollten. So habe ich das Elektroauto unmittelbar danach gekauft und «tanke» es meist mit unserem eigenen Solarstrom, anstatt 200 Franken pro Monat für Benzin auszugeben. Die Hypothek für die komplette PV-Anlage inklusive Ladestation beträgt 14 Franken pro Monat. Das ist auch finanziell interessant.

Wie haben Sie das passende Elektroauto gefunden?

Die Schwierigkeit besteht darin, herauszufinden, was einem am wichtigsten ist. Das richtige Automodell muss zu den eigenen Wünschen, Bedürfnissen und dem Portemonnaie passen. Darum ist es vor dem Kauf wirklich wichtig, dass man genau weiss, wofür man das Auto braucht. Für lange Strecken wählt man vielleicht ein anderes Modell als für die Stadt. Plattformen wie die TCS-Autosuche bieten die notwendigen Zusatzinformationen für eine Entscheidung, die sich langfristig gut anfühlt. Ausserdem empfehle ich, einige Probefahrten zu machen. Denn die Emotionen und das Fahrgefühl entscheiden mit.

«Nach der ersten ausführlichen Probefahrt mit einem Elektroauto hat es bei meiner Frau bereits klick gemacht. Mich hat die Energieeffizienz dieser Technologie überzeugt.»

Auch wenn mich als ehemaliger Automechaniker das Dröhnen eines V12 nicht kalt lässt, ist der Fahrspass in einem Elektroauto mit seiner sensationellen Beschleunigung und seinem echten Fahrkomfort unvergleichlich. Das Fahren eines Elektroautos weckt aber auch ein gewisses Interesse daran, so sparsam wie möglich zu fahren. Mittlerweile ist es für mich und meine Frau zum Spiel geworden, uns gegenseitig mit sparsamem Fahren zu überbieten. Auf EcoDrive gibt es gute Tipps zum energieeffizienten Fahren.

Welche Herausforderungen haben Sie beim Umstieg vom Tanken zum Laden erlebt?

Die erste Herausforderung war, die passende Wallbox für zuhause zu finden, denn wir wollten sie ins Energiemanagement des Hauses einbinden und die PV-Anlage zu unserer eigenen Sonnentankstelle (Sonnenstrom) machen. Es gibt viele Unterschiede bei Preis, Funktionen, Qualität sowie Möglichkeiten bei der Programmierung und Bezahlung. Aber der Elektriker hat uns weitergeholfen.

Die ersten Monate waren nicht einfach! Uns fehlte die Erfahrung beim Aufladen an öffentlichen Ladestationen. Da kommt es schon mal zu Unklarheiten. Welchen Stecker brauche ich? Ist das Auto für die Ladung am Supercharger geeignet? Die Tarife und die Art der Abrechnung sind nicht einheitlich. Auch beim Bezahlvorgang gibt es so viele Möglichkeiten, dass es ohne etwas Routine verwirrend sein kann: Kreditkarte, App, Ladekarte des Anbieters, QR-Code, SMS. Das Video «Laden ist nicht Tanken» (Lademöglichkeiten) erklärt’s einfach.

Auch die Sprache kann eine echte Herausforderung sein: BEV/FCEV/PHEV/ICEV, kW/kWh, AC/DC, Schnell-/Langsamladung, CHAdeMO-/Typ-2-/CCS-Steckdosen und so weiter und so fort. Es ist anfangs nicht leicht, sich in diesem doch sehr technischen Vokabular zurechtzufinden. Das Glossar der Elektromobilität hilft dabei, sich mit diesen neuen Begriffen vertraut zu machen und ihre Bedeutung zu verstehen.

Und wie klappt es mit der eigenen Solartankstelle? Auf dem Dach unseres Hauses liessen wir Mitte Februar 2022 ca. 60 m2 PV-Paneele installieren, die eine geschätzte Jahresproduktion von ca. 12 000 kWh haben. Jetzt fahren wir quasi «kostenlos», indem wir unser Elektroauto mit dem von unserer PV-Anlage erzeugten Überschuss aufladen.

«Mit zehn Jahren Garantie und einer geschätzten Lebensdauer von 20 Jahren sind diese Solarmodule definitiv die beste Investition, die wir in den letzten Jahren getätigt haben».

Im Jahr 2022 hat unser Haushalt mit Elektroauto (ca. 8000 km) und Wärmepumpe neben der Elektrizität aus der PV-Anlage 6100 kWh Strom aus dem Netz verbraucht. Gleichzeitig haben wir 8200 kWh Strom ins Netz eingespeist, wobei die BKW fast 2000 Franken zurückerstattet hat (durchschnittlicher Einspeisetarif 26 Rp/kWh). Am Ende haben wir dank unserer PV-Anlage sogar einen Überschuss erwirtschaftet. Hier sind die aktuellen Strompreise für alle Kantone dargestellt.

Wieviel Reichweite brauchen Sie im Alltag? Da ich wie alle anderen unter den Symptomen des Klimawandels leide, habe ich meine Fortbewegungsarten überdacht. Seit fast drei Jahren habe ich mich für multimodale Mobilität entschieden und wähle je nach Lust und Laune oder Wetterlage eine Kombination aus Velo, Zug, Bus und oder dem Zu-Fuss-Gehen, um zur Arbeit zu kommen. Da ich auf dem Land wohne und Familie habe, ist das Elektroauto sehr praktisch und flexibel und wird fast täglich für Fahrten von 30 bis -50 km benutzt. Das konventionelle Familienauto haben wir behalten und nutzen es ein paar Mal jährlich für Transporte und Ferien mit dem Wohnwagen.

Gibt es in der Schweiz genügend Ladestationen? Mit fast 10 000 öffentlichen Ladestationen ist das Schweizer Netz schon ziemlich dicht. Es wird zudem laufend weiter ausgebaut. Die Ladestationen sind im Durchschnitt zu weniger als 20% ausgelastet, aber je nach Ort und Zeit kann es zu kurzen Wartezeiten kommen.

Was möchten Sie potentiellen Elektromobilistinnen und Elektromobilisten mit auf den Weg geben?

Verlassen Sie Ihre Komfortzone! Die Planung von längeren Fahrten im Hinblick auf Reichweite und Ladestationen ist für viele eine der grössten Herausforderungen. Und dies, obwohl das Aufladen für eine Strecke von 100 km nur etwa zehn Minuten dauert und das Netz in der Schweiz eines der dichtesten ist. Mangelnde Gewohnheit lässt uns schon mal ein wenig unsicher werden bei langen Fahrten. Aber keine Sorge: Apps wie ABRP (A Better Route Planner) ermöglichen eine perfekte Planung.

Wir stehen erst am Anfang einer neuen Ära, in der viele Verbesserungen, Entwicklungen und Anpassungen (einschliesslich Preisanpassungen) in grossem Umfang kommen werden, auch im Hinblick auf die Ladeinfrastruktur.

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