«Die Kinder wollen nicht mehr mit der Stinkemaschine fahren»

Familie Flum Knapp fährt seit zweieinhalb Jahren einen Honda e. Wie viel Reichweite für Ausflüge in der ganzen Schweiz reicht und warum sie nicht mehr zurück zur alten Familienkutsche wollen, erzählen Noë und Anja im Interview. Fotos: Noë Flum

Wie ist es dazu gekommen, dass ihr mit dem Strom fahrt?

Noë: Die Idee war, alles, was wir an Fortbewegungsmitteln haben, möglichst CO2-frei zu betreiben, damit wir nicht weiter CO2 in die Luft blasen. Vorher hatten wir ein Elektro-Transportvelo mit einer Kiste vorne dran, das haben wir immer noch. Damit ist Anja mit den Kindern auch im Winter bei Eis und Schnee herumgefahren und dann habe ich gefunden, das ist gefährlich, jetzt muss etwas Besseres her.

Worauf habt ihr beim Elektroautokauf geachtet?

Noë: Eigentlich darauf, wie es aussieht, wie bei jedem Auto. Ich habe viele Elektroautos angeschaut und viele sind zu dieser Zeit SUVs gewesen, um viel Batterie hineinzupacken, hat man damals halt noch oft diese Bauart gewählt, aber das stand für uns nicht zur Debatte. Wir wollten ein kleines Auto für alltägliche Einkäufe und Besorgungen in der Stadt.

Habt ihr vorher ein paar Testfahrten gemacht?

Noë: Ich bin auf den Geschmack gekommen, als ich einmal eine Reparatur hatte und von der AMAG einen elektrischen Ersatzwagen bekommen habe. Ich fand es wahnsinnig toll, mich elektrisch bewegen zu können, ohne Benzin zu brauchen. Und auch Freunde von uns, die Teslas fahren, haben gezeigt, wie lässig es ist.

Merkt man beim Fahren einen Unterschied?

Noë: Ja, riesig! Ich habe ja noch immer einen Kombi mit Benzinmotor, der hat jetzt 200 000 Kilometer, und ich fahre den jetzt noch fertig, denn ein neues Auto produzieren zu lassen, wenn man noch ein funktionierendes hat, ist umwelttechnisch nicht schlau. Mir kommt das heute vor, wie in eine «alte Kutsche» einzusteigen. Dann denke ich: «Wieso muss ich jetzt einen Motor anlassen, der rumpelt und stinkt?» Auch die Kinder finden mittlerweile schon, wenn wir mal wegen dem grösseren Stauraum den Benziner nehmen: «Wieso müssen wir jetzt mit der Stinkemaschine herumfahren?».

Anja: Ich fahre oft von Zürich nach Basel und das Gefühl, umweltfreundlich unterwegs zu sein, ist ein gutes. Und vom Komfort her ist es natürlich grossartig. Man floatet so. Es ist so ruhig. Mit dem Benziner habe ich das Gefühl, ich fahre mit einem Traktor.

War es eine grosse Umstellung vom Tanken zum Laden?

Anja: Ja, weil man sich neu darauf einstellen muss, wo die Ladestationen sind. Und wenn man eine Ladestation hat, die nicht schnell lädt, dann braucht es etwas länger. Als wir das Elektroauto neu hatten, gab es noch ein bisschen weniger Ladesäulen und es hat noch nicht immer funktioniert. Aber ich muss sagen, das hat sich in den letzten anderthalb Jahren extrem geändert. Und in Zürich stecken wir das Auto einfach zuhause in der Garage ein, das ist fast noch einfacher als tanken.

Wieviel Reichweite braucht ihr im Familienalltag?

Noë: Grundsätzlich bin ich überrascht, dass die Reichweite viel weniger eine Rolle spielt, als man meint. Wir sind jetzt viel in der Schweiz herumgefahren als Familie und das Auto hat ja «nur» 200 Kilometer Reichweite. Mit ein bisschen Planung war es noch nie ein Problem. Wenn man mit den Kindern unterwegs ist, geht man eh nach etwa zwei Stunden in die Raststätte etwas trinken und dann ist die Batterie meistens wieder so voll, dass man ans Ziel kommt. An einer Schnellladestation dauert das etwa eine halbe Stunde.

Anja: Wenn wir meine Mutter in Basel besuchen, gibt es zwei Ladestationen in Schrittdistanz von 100 Metern, wo wir während des Besuchs laden können.

«Es hat jetzt wirklich überall Lademöglichkeiten, das hat Basel wahnsinnig gut gemacht. Es kommt glaub wirklich darauf an, wie die Städte und Gemeinden voranmachen.» Habt ihr eine Ladekarte, die überall gilt?

Noë: Ja, wir haben eine Karte von swisscharge.ch. Das funktioniert eigentlich überall in der Schweiz, vor allem mit der App. Einfach Karte hinhalten, Kabel einstecken und dann lädt es, das ist ganz simpel.

War es schwierig, zuhause eine Ladestation zu bekommen?

Anja: Wir haben bei den Vermietern angefragt und die haben eine Ladestation in der Garage einbauen lassen. Das ging unkompliziert.

Noë: Wir bezahlen jetzt für den Parkplatz 20 Franken mehr pro Monat, aber das ist fair, wenn man bedenkt, dass eine Ladestation etwa 2500 Franken kostet. Da ist die Vermieterschaft wirklich fortschrittlich und ich denke, das muss man heute auch sein, alleine wegen dem Wettbewerbsvorteil.

Seid ihr schon mal eine weitere Strecke mit dem Elektroauto gefahren?

Anja: Wir sind auch schon zur St. Petersinsel im Bielersee oder nach Luzern gefahren und auch andere längere Distanzen in der Schweiz, wo wir anfangs nicht gedacht hätten, dass das mit unseren 200 Kilometern Reichweite geht. Aber dann muss man einfach schauen, wo es eine Raststätte gibt mit einer Schnellladestation. Noë: Oder einen McDonalds (lacht), der auch Schnelllader hat. So sind wir mit den Kindern das allererste Mal in einen «Mäc» gegangen.

Wie plant ihr so einen Ausflug?

Noë: Wir schauen vorher in der swisscharge-App, wo es unterwegs Ladestationen gibt. Meistens sind noch Bilder von den Ladestationen dabei und man sieht, ob die Umgebung für eine Ladepause mit Familie und Hund geeignet ist. Unterwegs sieht man in der App dann auch, welche Ladestationen gerade frei oder besetzt sind.

Was hat euch am meisten überrascht?

Eine der überraschendsten Erkenntnisse war, dass die Reichweite vom Auto eigentlich eine untergeordnete Rolle spielt. Für Leute, die sich für ein Elektroauto interessieren, ist das bei der Vorbereitung ganz wichtig, aber es ist nicht so matchentscheidend. Mit 200 Kilometern Reichweite ist in der Schweiz alles machbar. Wenn man ins Ausland fahren will, ist man schnell mal 500 oder 700 Kilometer unterwegs und da will man natürlich nicht fünfmal anhalten. Dann macht eine grössere Batterie schon Sinn. Aber das macht man ja eigentlich selten.

Gibt’s im Alltag auch mal Herausforderungen oder Hürden?

Noë: Ich hatte am Anfang mangelnde Erfahrung. Einmal hatte ich in Bern eine Sitzung und ich dachte, der Ladestand reicht. Dann bin ich auch noch etwas zu schnell gefahren und habe unterwegs gemerkt, dass es doch nicht reicht. Und dann von der Autobahn aus ad hoc noch eine Ladestation zu finden und rechtzeitig in der Sitzung zu sein, das war wirklich eine Challenge. Anja: Und man muss sich etwas umgewöhnen, dass man bei Kälte, wenn man die Heizung braucht, auch weniger Reichweite hat. Aber man gewöhnt sich daran und weiss dann auch, dass man im Winter im Elektroauto nicht unbedingt im T-Shirt sitzen muss.

Ich habe auch meinen Fahrstil mit der Zeit angepasst, das kommt automatisch, wenn man mit der Reichweite etwas haushalten muss. Wenn man zum Beispiel ständig stark beschleunigt beim Überholen, frisst das schnell viele Kilometer weg. Dann macht man es vielleicht einmal weniger, wenn es nicht unbedingt sein muss. Man fährt dann eher defensiver. Das ist ja eh gesünder und entspannter.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Service oder Reparaturen?

Anja: Es ist ein relativ neues Auto. Es fährt einfach.

Noë: All die Service-Intervalle sind eigentlich überflüssig, ich weiss gar nicht, was die da machen. Ich glaube, die überprüfen nur das Scheibenwischerwasser (lacht), damit sie etwas zu tun haben. Ölwechsel und Flüssigkeiten fallen ja weg. Bremsbeläge braucht man zum Beispiel auch viel weniger, denn man bremst ja mit der Rekuperation. Der Elektromotor bremst das Fahrzeug ab und in dieser Zeit, in der es abbremst, gewinnt es wieder neue Energie. Es lädt also die Batterie beim Bremsen. Anja: Ich brauche nur noch das Gaspedal und mit mehr oder weniger Gasgeben reguliere ich die Geschwindigkeit bis zum Abbremsen. Ab und zu teste ich die Bremse aber bewusst, damit sie in Schuss bleibt und keinen Flugrost ansetzt, weil ich sie so wenig brauche.

Und wie sieht es mit den laufenden Kosten aus?

Noë: Der Aufwand für die Elektroauto-Wartung ist also kleiner, viel kleiner. Und auch bei den Energiekosten brauchen wir nur die Hälfte des Betrags beim Benziner. Es macht wirklich viel aus, wenn man den Strom günstig zuhause laden kann. Und selbst wenn man ausserhalb lädt, kostet es immer noch nur die Hälfte im Vergleich zum Tankpreis. Weil der Elektromotor so effizient ist. Der braucht weniger Energie, um das Auto zu bewegen, und ein Kilowatt kostet hier im Niedertarif nur etwa 20 Rappen, bei 35 Kilowatt Batterieleistung brauchen wir zum Vollladen nur ca. 7 Franken.

Habt ihr im Alltag steigende Strompreise bemerkt?

Noë: Nicht so wirklich, denn Zürich hat ja sein eigenes Kraftwerk, das sollte also nicht gross steigen, und auch ausserhalb habe ich das noch nicht gross gemerkt. Aber neulich habe ich in Basel gesehen, dass auf einer Ladestation «100 % Ökostrom» steht und das ist schon cool.

«Hier in Zürich haben wir viel Wasserkraft, in Basel auch. Das heisst, es wird kein CO2 verursacht, um von Zürich nach Basel und retour zu fahren, also wirklich null, weil es Ökostrom ist.»

Und der Fahrspass?

Anja: Das Lustige ist ja, dass man es mit jedem getuneten Benziner aufnehmen kann. Wenn man beim Rotlicht mal neben «jungen Autoliebhabern» steht, die gerne mal ein bisschen provozierend zu unserem kleinen Auto rübergucken, dann kann man den Sportmodus drücken – und bevor sie die Kupplung angelegt haben, sind wir mit Hund und Kindern schon weg (lacht). Man fliegt einfach davon.

Noë: Was auch cool ist: Das Auto ist von ausserhalb mit einer App verbunden und im Sommer kannst du es vor dem Einsteigen herunterkühlen und im Winter etwas vorheizen.

Anja: Ich muss manchmal im Auto warten, wenn ich die Kinder abhole. Früher musste man bei der grössten Hitze oder Kälte den Motor anmachen und das habe ich immer schrecklich gefunden, denn es ist so eine Umweltverschmutzung. Das Elektroauto kann einfach stehen und mit der Batterie kühlen oder heizen.

Was hättet ihr gerne vorher gewusst?

Noë: Ja, wie cool es ist! Und wie einfach. Man hat ja schon vorher eine grosse Unsicherheit, wie das mit dem Strom ist und ob es im Alltag funktioniert. Aber das ist alles völlig unbegründet. Es ist viel einfacher und unkomplizierter, als man meint.

Anja: Es ist wirklich nur eine leichte Umgewöhnung, nach dreimal fahren hat man den Dreh raus.

Was sagen eure Kinder und euer Umfeld dazu?

Noë: Die Kinder haben das von Anfang an supercool gefunden. Jetzt haben wir eher den grossen Protest, wenn sie in die «alte Kutsche» einsteigen müssen. Anja: Wir haben sicher auch das Umweltbewusstsein dadurch geschärft: Nicht nur reden, sondern etwas machen. Im Alltag etwas beitragen und wir haben gezeigt, dass das gar nicht so schwierig ist. Meine Mutter geniesst auch den Fahrkomfort und das gute Gefühl, kein CO2 auszustossen beim Fahren. Sie würde sich eigentlich selbst auch eins kaufen. Denn wenn man einmal angefangen hat, elektrisch zu fahren, dann will man nicht mehr zurück.

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